Buch, Regie, Produktion
geb. 1957
Ein namenloser Mann kommt in die Stadt und wird bei der erstbesten Gelegenheit zu Tode geprügelt. Hier beginnt dieses epische Drama, dieser Film oder besser ein Traum von einsamen Herzen mit leeren Taschen unter dem weiten Himmel unseres Herrn - oder vielleicht besser - dem der Vögel. (Aki Kaurismäki)
Sehr verehrtes Publikum!
Mein letzter Film war schwarz-weiß und stumm, was deutlich
zeigt, dass ich ökonomisch denke. Diesen Weg konsequent weiterzuverfolgen,
hätte allerdings bedeutet, als nächstes auf die Bilder
zu verzichten. Aber was bliebe uns dann: ein Schatten.
Kompromissbereit wie ich bin, entschied ich mich deshalb zur Umkehr und machte diesen
Film hier, in dem es jede Menge Dialoge gibt und eine Vielzahl verschiedener
Farben - ganz zu schweigen von anderen kommerziellen Werten.
Ich muss zugeben, dass tief in meinem Unterbewusstsein vielleicht
auch die Hoffnung schlummerte, durch diesen Schritt als "normal"
zu erscheinen. Meine Ansichten zur sozialen, wirtschaftlichen und
politischen Situation unserer Gesellschaft, wie auch zu Moral und
Liebe, spiegelt der Film hoffentlich trotzdem wider.
Hochachtungsvoll
Ihr
Aki Kaurismäki
Interview mit Aki Kaurismäki in Cannes
(Quelle: Blickpunkt:Film, gekürzt)
Er war der Liebling des Festivals: der Finne Aki Kaurismäki
mit seinem neuesten Werk "Der Mann ohne Vergangenheit".
Der lakonische Witz und die rührende Liebesgeschichte wurden
mit dem Großen Preis der Jury und dem Darstellerinnenpreis
für Kati Outinen belohnt.
Blickpunkt:Film Wieder kehren Sie zu den Chancenlosen einer
Ellenbogengesellschaft zurück. Was mögen Sie an diesen
Figuren?
Aki Kaurismäki "Der Mann ohne Vergangenheit"
ist der zweite Teil einer Trilogie über das gegenwärtige
Finnland, das ich schon seit den frühen achtziger Jahren porträtiere.
Irgendjemand muss doch erzählen, in welchem Schlamassel die
Menschen stecken. Ich komme selbst aus dem Unterschichtsmilieu und
weiß, wovon ich rede, wie die Gesellschaft mit diesen Leuten
umspringt. Warum sollte ich einen Film über reiche Parasiten
machen, die dummes Zeug quatschen und deren einziges Problem darin
liegt, das richtige Hemd zum Ausgehen zu finden, damit sie angeben
können? Da würden mir keine Dialoge einfallen.
BF Sie leben in Portugal und drehen Ihre Filme in Finnland.
AK Im Süden genieße ich die Sonne. Aber zum Filmemachen
komme ich wieder nach Hause zurück. Ich habe in London "I
Hired a Contract Killer" gedreht, in Paris "Das Leben
der Boheme" und bin mit den Leningrad Cowboys durch ganz Europa
gezogen. Inzwischen weiß ich, dass ich meine Filme in Finnland
machen muss, das einzige Land, das ich wirklich verstehe. Da entwickle
ich ein ganz anderes, viel näheres Gefühl für meine
Figuren.
BF Sie sind für Ihre etwas unkonventionelle Art des
Arbeitens berüchtigt.
AK Ich habe zwar nicht den Ruf, präzise zu sein, bin
aber sehr präzise. Für mich gibt es zwei Arten zu arbeiten.
Entweder improvisiere ich alles am Set in der letzten Minute oder
ich schreibe das Drehbuch bis ins kleinste Detail. Das war hier
der Fall. Jeder Dialog, jede Einstellung war vorgegeben.
BF Wie stehen Sie zu den digitalen Techniken, die hier in
Cannes gefeiert werden?
AK Wer nichts zu sagen hat, versteckt sich gern hinter Technik.
Junge Regisseure sind oft weniger an Inhalten interessiert, stürzen
sich lieber auf digitale Neuheiten und denken nur daran, in welchem
Outfit sie bei der Oscar-Gala auftreten. Ich hasse diesen ganzen
Hype um Preise und den Aufmarsch auf roten Teppichen. Ich bleibe
meiner alten Filmkamera treu, die funktioniert schon seit Jahrzehnten.
BF Was heißt Kino für Sie?
AK Ich habe da so eine spezielle Theorie. Alles, was man
benötigt, sind ein Mann und eine Frau, die gegen die Wand stehen,
und Licht und Schatten. Dann nimmt man die Frau aus dem Bild, es
bleibt der Mann, eine Wand, Licht und Schatten. Dann entfernt man
den Mann, es bleiben Wand, Licht und Schatten. Man nimmt die Wand
weg, es bleiben Licht und Schatten. Dann entfernt man das Licht.
Es bleibt der Schatten. Wenn man den auch noch entfernt, ist das
Leben weg. That's the end, my friend.
BF Bedeutet ein Preis in Cannes für Sie Erfolg?
AK Erfolgswahn ist typisch männlich. Männer wollen
Macht und Frauen leiden lassen. Für mich heißt Erfolg,
sich selbst nicht zu sehr zu hassen.
BF Wie lange arbeiten Sie an Ihren Projekten?
AK Ganz unterschiedlich. Vor drei Jahren wollte ich eigentlich
mit dem Filmen aufhören. Aber zum Sterben war es mit 42 noch
zu früh. Ich bin zu faul, den Job zu wechseln. Ich kann auch
nichts anderes, also mache ich weiter. Um auf dem Bau zu arbeiten,
ist es zu spät.
Filmographie
1981 |
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THE
SAIMAA GESTURE
(zusammen mit Mika Kaurismäki) |
1983 |
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CRIME AND PUNISHMENT
RANGAISTUS |
1985 |
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CALAMARI UNION |
1986 |
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SCHATTEN IM PARADIES
ROCKY VI (Kurzfilm) |
1987 |
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HAMLET GOES BUSINESS
THRU THE WIRE (Kurzfilm) |
1988 |
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ARIEL |
1989 |
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LENINGRAD COWBOYS GO AMERICA
DIRTY HANDS (TV Film)
DAS MÄDCHEN AUS DER STREICHHOLZFABRIK |
1990 |
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I HIRED A CONTRACT KILLER |
1991 |
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THOSE WERE THE DAYS (Kurzfilm) |
1992 |
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DAS LEBEN DER BOHÈME (Kurzfilm) |
1993 |
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TOTAL BALALAIKA SHOW - HELSINKI
KONZERT (Dokumentarfilm)
TATJANA |
1994 |
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LENINGRAD COWBOYS MEET MOSES |
1996 |
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WOLKEN ZIEHEN VORÜBER |
1998 |
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JUHA |
2002 |
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DOGS HAVE NO HELL (Episode
im "Ten Minutes Older" Projekt)
DER MANN OHNE VERGANGENHEIT |
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